Komponisten

Peter Köszeghy

Peter Köszeghy
Portraittext

„Mit Musik das Innerste des Menschen bewegen“, das sei sein Ziel. Er wisse, dass sein Bekenntnis „schwer nach Plattitüde“ klinge, sagt Peter Köszeghy, er komme jedoch nicht umhin, es genau so zu formulieren. Hört man, wie sich seine Stimme verändert, wenn er das Wort „Innerste“ ausspricht – sie wird leiser, aber nicht schwächer –, spürt man, wie ernst es ihm ist.

Köszeghy postuliert eine Musik, deren Neuartigkeitsanspruch nicht aus „zwanghaften Versuchen der Abgrenzung von allem Dagewesenen“ resultiert, sondern aus der Vorstellung, dass ihr Schöpfer sich selbst „neu erfindet“: die Routine des Komponisten-Handwerks ablegt, sich von jeglichem Akademismus loslöst. „Wenn ich ein Stück beginne, gibt es keine Gedanken über zu verwendendes Tonmaterial oder darüber, wie das Stück aufgebaut sein soll“, sagt Köszeghy. Das Komponieren anhand eines im Vorfeld ersonnenen Strukturplans beenge ihn und sei „unkreativ“, da es sich aus komfortablen Arbeitsgewohnheiten ergebe. Die von ihm praktizierte Vorgehensweise nennt er „phänomenorientiertes Entwickeln“: Ein Phänomen wird „wahrgenommen, und auf dieses wird reagiert. Dadurch entsteht ein neues Phänomen, auf das wieder reagiert wird. […] Von dem Künstler fallen die Entscheidungen auf die Phänomene und von den Phänomenen auf den Künstler. Sie schreiben sich ineinander.“

Zu diesem kompositorischen Denken gelangte Peter Köszeghy nach einer Krise, die einen „großen Schnitt“ durch sein Œuvre bewirkte. Köszeghy datiert ihn auf etwa 2011. Frappierend ist vor allem die Aggressivität, die eine Reihe von Werken aus der früheren Schaffensphase kennzeichnet. Als Beispiele seien zwei Arbeiten erwähnt, die schon durch Titel und Besetzungsangaben ins Auge stechen: AMOK (Schock) für verzerrte Bassblockflöte und Percussion (2002) – eine Reflexion auf den Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium, der Köszeghy tief erschüttert hat – und die Klangaktion Sexus-Plexus-Nexus für männlichen Schreier mit Verstärkung/Verzerrung und CD-Zuspiel (2003). Die Instru-mente, die Ausführenden werden hier bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten ausgebeutet; manchmal quält der Komponist sie auch über ihre Grenzen hinaus. Diese Aggressivität, so erzählt er, habe mit seinem damaligen Seelenzustand zu tun: Er habe sich schnell und maßlos über Dinge echauffiert, auch über die „teilweise recht schwer durchschaubaren Entscheidungsprozesse in der Musikwelt“, denen er sich als aufstrebender Komponist ausgeliefert sah. „Heute glaube ich an eine Musik, die dem Komponisten und dem Hörer gleichermaßen Freude bereitet“, sagt Köszeghy.

In saphir für Klarinette und Klavier (2013) öffnet Köszeghy in einem knapp zwanzigminütigen Einzelsatz großzügige Klangfelder, die – man probiere es am eigenen Leib – ein tiefes Ruhegefühl ausstrahlen. Während man sich als Hörer in saphir an verschiedenen, jeweils mehrfach wiederkehrenden Materialblöcken orientieren kann, vermag man in three shamanistic rituals für Orchester (2011) kaum derlei Fixpunkte zu entdecken. In den drei kurzweiligen, nach den „Essenzen“ earth, fire und air benannten Sätzen geht Köszeghy durchaus klangmalerisch zu Werke. HEKATE’s DREAM für Blockflöte, Violine und Violoncello (2012) wiederum bewegt sich oft im Grenzbereich des Vernehmbaren. Trotz der überwiegend zarten Dynamik und des ruhigen Tempos, trotz der insgesamt recht linearen „Erzählweise“ der Komposition bleibt ein Gefühl von Unrast zurück: Es scheint, als schimmerte durch die mitunter erschreckend stille Oberfläche immer wieder die Exaltiertheit des „alten“ Peter Köszeghy hindurch. Auch die Fähigkeit, diese negative Intensität in gefilterter Form – als kontrollierten Ausnahmezustand – zuzulassen, sei Teil seiner neuen Ausgeglichenheit, sagt Köszeghy. Er frage sich: „Wie weit kann ich gehen, bevor es mich aus der Bahn wirft?“ – Komponieren als psychologischer Selbstversuch.

von Martin Tchiba
(Der Text ist eine gekürzte Fassung von Tchibas Portrait über Peter Köszeghy in der NZfM 1/2014)

Termine

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Archiv

  1. 12.11.2023, 02:05

    DLF Radionacht

    • Sara Glojnarić: „Latitudes 2“ für Schlagzeug
    • Peter Köszeghy: "… kaum ausgesprochen …" aus "Perlmutt“

    Leonie Klein (Schlagzeug), Trio Tempestoso

  2. 27.05.2023

    FIMU Festival - Théatre Granit, Belfort, Frankreich

    Peter Köszeghy: "BOT" für Trompete und Percussion

    Duo Samodai-Szìves

    Das Konzert wird am 28. Mai im Amphitheatre de la CCI, Belfort, wiederholt!

  3. 19.05.2023, 20:30

    "intersonanzen", Potsdam

    Peter Köszeghy: "Seetang" für Mezzosopran, Flöte und Harfe UA

    Trio ARIEL

  4. 15.12.2022, 21:30

    hr2 kultur, "Neue Musik"

    "Gott, Geist, Gesang. Ein erweitertes Zwiegespräch über spirituelle Impulse neuer Musik von heute" - Eine Rundfunksendung von Stefan Pohlit, u.a. mit ausschnitten aus:
    • Peter Köszeghy: "pearl"
    • Stefan Pohlit: "Der Schwarze Schäfer"
    • Juliane Klein: "Aus der Wand die Rinne 4"
    • • Juliane Klein: "Aus der Wand die Rinne 1-6"

  5. 25.11.2022, 19:00

    Kunsthalle Erfurt

    Peter Köszeghy: "stab"

    Ensemble MIET+

  6. 20.10.2022, 17:00

    Uckermärkischen Bühnen Schwedt

    Welturaufführung "Natürl!ch" - mit Musik von Peter Köszeghy

    Ensemble Quillo sowie 150 Mitwirkenden Kindern und Jugendlichen

  7. 27.06.2022, 19:30

    Konzerthaus Berlin, Wener-Otto-Saal

    Peter Köszeghy: "MOLED" für Klarinette, Cello und Akkordeon (UA)

    Trio Tempestoso

  8. 24.06.2022, 18:00

    Festival "Mühlenbecker Klanglandschaften"

    Peter Köszeghy "TOTHOLZ" - konzertante Klangaktion im und mit dem Wald und Holzklangskulpturen (UA)

    Minhye Ko, Taiko Saito, Jasper Ubben sowie Schüler:innen der Musikschule Berlin-Reinickendorf

  9. 27.05.2022, 19:00

    Festival "intersonanzen" Potsdam

    Peter Köszeghy: "CHONS" für Flöte, Violine und Viola (UA)

    Modern Art Ensemble

  10. 20.05.2022

    Kunststation St. Peter, Köln

    Peter Köszeghy:
    • "MALACHIT" für Flöte und Klavier (UA)
    • "Breathe Only" für Flöte und Klavier

    Camilla Hoitenga (Flöte), Jovita Zähl (Klavier)

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